Jugendliche über Kiffen aufklären
VON ANNINA BAUR
REMS-MURR-KREIS. Seit April vergangenen Jahres ist Kiffen legal, zumindest für erwachsene Menschen und mit einigen Einschränkungen. Das wirkt sich auf die Suchthilfe aus. "Es kommen weniger junge Menschen zu uns, weil weniger die Auflage bekommen, sich beraten lassen zu müssen", sagt Nomi Sommer von der Drogenhilfe Horizont. Das Team aus Sozialpädagoginnen und -pädagogen berät im Rems-Murr-Kreis an den Standorten Waiblingen, Schorndorf und Backnang in den psychosozialen Beratungsstellen der Caritas und des Kreisdiakonieverbands niederschwellig zu allen Themen rund um legale und illegale Substanzen, die abhängig machen können. Der Beratungsbedarf insgesamt sinke durch die Teillegalisierung von Cannabis nicht: Es kommen zwar weniger junge Menschen, dafür aber mehr Fachkräfte und Eltern mit ihren Fragen auf die Beraterinnen und Berater zu. "Prävention ist mindestens so wichtig wie vor der Teillegalisierung", sagt Sommer, denn die Substanz werde ja konsumiert. Hinzu kommt: Für alle unter 18 Jahren ist der Konsum von Cannabis zwar nach wie vor nicht erlaubt, doch das heißt ja nicht, dass alle Jugendlichen sich daran halten und nicht kiffen.
Cannabis-Prävention beginnt bei Jugendlichen ab 15 Jahren
Mit der Cannabis-Prävention setzen die Suchtberaterinnen und -berater bei Jugendlichen ab 15 Jahren an, vor allem an allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Schulzentren sind sie unterwegs. Seit Mai gibt es dafür ein weiteres Hilfsmittel. Zwei sogenannte "grüne Koffer" stehen im Rems- Murr-Kreis zur Verfügung. Es handelt sich dabei um physische Koffer, die in den Suchtberatungsstellen des Kreisdiakonieverbands in Waiblingen und der Caritas in Backnang bereitstehen. "Schulen können anfragen, ob wir eine Schulung machen. Alternativ bieten wir auch Multiplikatorenschulungen an. Die geschulten Multiplikatoren können die Koffer dann ausleihen." In diesen Schulungen erklären Suchtberater Schulsozialarbeitern, Lehrkräften oder Fachkräften in Jugendeinrichtungen, wie die grünen Koffer eingesetzt werden können. Denn: Nicht alle Suchtberatungsstellen haben Personal, das die Präventionsangebote in Schulen oder anderen Einrichtungen durchführen kann. Im September 2024 wurden die ersten Multiplikatoren geschult, eine weitere Schulung soll im Lauf der kommenden Monate angeboten werden. Aktuell werde der Koffer alle ein bis zwei Monate ausgeliehen, sagt Sommer und zeigt sich zufrieden: "Das ist gut für den Anfang." Es darf aber noch mehr werden. Was genau befindet sich in den Koffern? "Die Koffer enthalten neun interaktive Methoden, die zur Prävention eingesetzt werden können", erklärt Sommer. Sie können entweder in einer Unterrichtseinheit alle angewendet werden oder es kann ein Teil davon ausgesucht werden. Je nachdem, wie viele der Materialien verwendet werden, dauert die Präventionsmaßnahme zwischen zwei und vier Stunden. Mithilfe der Materialien im Koffer kommen die Fachkräfte mit Jugendlichen ins Gespräch über Cannabis, können sie aufklären und dazu beitragen, dass sich junge Menschen mit den Themen Cannabis und Sucht auseinandersetzen.
Problematischer Konsum: Was ist das?
Mithilfe der Materialien lernen junge Menschen beispielsweise, wie eine Sucht entsteht, was Experten unter einem problematischen Konsum verstehen und wann dieser in eine Sucht übergeht. Anderes Beispiel: Indem Argumente für und gegen das Kiffen gesammelt werden, helfen die Materialien dabei, zu erkennen, dass Kiffen kurzfristig zwar positive Effekte haben kann, langfristig aber die negativen Folgen überwiegen. Anschaulich wird das, indem für jedes Pro- und jedes Contra-Argument eine Murmel in ein Reagenzglas geworfen wird. Denn auch der Konsum von Cannabis kann gefährlich sein. Laut der Krankenkasse AOK kann der Cannabis-Konsum vor allem bei jungen Menschen Veränderungen im Frontalhirn hervorrufen. Im Gehirn finden nämlich bis zum Alter von 25 Jahren noch wichtige Auf- und Umbauprozesse statt. Cannabis-Konsum, vor allem regelmäßig, könne deshalb bei jungen Erwachsenen die Aufmerksamkeit, das Lernen, die Intelligenz und auch das Verhalten beeinträchtigen.